Donnerstag, 9. Januar 2014

09. Januar Ao. 1479

Vertrag derer gefangenen Pfänner zu Halle mit Ertzbischoff Ernsten zu Magdeburg, wodurch dem Ertzbischoffe der vierte Theil der Pfannen und Kothe abgetreten worden.



Erzbischof Ernst, Sohn des Kurfürsten Ernst zu Sachsen, wurde 1476 im zarten Alter von 11 Jahren zum Erzbischof zu Magdeburg ernannt. Schon bei der Huldigung der Stadt Halle an den neuen Erzbischof am 04. November 1476 ergab sich ein Streitpunkt. Bisher war es üblich gewesen, dass die neuen Landesherren einen Huldbrief an die Stadt verfassten, in denen zugesichert wurde, die Stadt bei ihren üblichen Privilegien, Rechten und Gewohnheiten zu belassen. Nach Übergabe des Huldbriefes entbot die Stadt dem Landesherrn ihren Respekt. Desgleichen war es Brauch, dass die Erzbischöfe ihren Lehnsmannen die erste Lehnsware (Abgabe an den Lehnsherrn) erließen. Erzbischof Ernst wollte diesem Brauch nicht folgen, sondern die Lehnsträger nur bei Erlegung der Lehnsware in ihre Lehen wieder einsetzen.

Zwischen den Pfännern und den Ratsherren jedoch war schon vor Erzbischof Ernsts Amtsantritt ein Streit ausgebrochen, weil die Ratsmänner aus den Innungen und Gemeinheiten forderten, dass die 4 Ratsmänner aus der Pfännerschaft die Beratungen zu verlassen hätten, wenn es um Entscheidungen des Thals (also eigentlich ihre ureigensten Angelegenheiten) ging. Dieser Vorschrift wollten sich die Pfänner nicht beugen, mussten jedoch letztlich klein beigeben, weil sie in der Unterzahl und zu schwach waren, die Sache für sich zu entscheiden. Doch auch danach war es höchst unruhig im Rat und die Bösartigkeiten beider Seiten hörten nicht auf, wobei eher die Pfänner an einer einvernehmlichen Lösung interessiert waren. Kein Wunder, bei dem Kräfteverhältnis, dass nicht zuletzt dem Einfluss des ehemaligen Stadthauptmanns Henning Strobart (der schon 1456 aus der Stadt getrieben worden war) zu schulden war. Im Jahre 1478 wurde dann der Obermeister des Schusterhandwerks Jacob Weißack zum Ratsmeister erwählt, der als ein sehr bösartiger und gehässiger Mann galt. Dieser ruhte denn auch nicht und nutzte jede Gelegenheit, um den Pfännern das Leben schwer zu machen und sie u.a. beim Erzbischof anzuschwärzen. Da hatte der Erzbischof dann Pulver gegen die Stadt in den Händen und nahm die Gelegenheit wahr und aberkannte der Stadt nicht nur die Thalgüter (also die Salzpfannen) sondern auch alle anderen Lehen. Dieser Konflikt konnte nur durch einen Schlichterspruch des Kurfürsten Ernst zu Sachsen in Chemnitz am 05. September 1478 beigelegt werden. Sein Urteil bevorteilte natürlich seinen Sohn, Erzbischof Ernst, dem umfangreiche Privilegien gegen die Stadt Halle zugestanden wurden und verpflichtete Stadt und Lehnsmänner zu reichlichen Zahlungen.

Dem Ratsmeister Jacob Weißack war dies noch nicht genügend Salz in die Wunden. Als die Pfänner sich mit Rat und Bürgerschaft wieder versöhnen und dazu Abgeordnete aus den Städten Magdeburg, Halberstadt und Braunschweig als Schlichter einladen wollten, funkte der Erzbischof dazwischen und erklärte, dass er als Einziger solche Streitfragen zu lösen hätte und keine anderen Abgeordneten akzeptieren wolle. Die pfännerschaftlichen Ratsmänner gaben das nicht zu, sondern beriefen eine Versammlung der gesamten Bürgerschaft an Innungen und Gemeinheit aufs Rathaus. Hier sabotierte Ratsmeister Weißack schon, indem er dort nicht erschien, sondern sein Gewerk der Schuhmacher bewaffnet zu sich rief und die Pfänner einen Überfall befürchteten. Nächsten Tags konnten die Herren aus Magdeburg und Halberstadt die Sache schlichten. Einige Tage später jedoch, als Erzbischof Ernst wieder auf Giebichenstein weilte, fuhr Weißack mit einigen seiner Anhänger aus dem Rat auf Giebichenstein und sprach mit dem Erzbischof. Am nächsten Morgen gegen 10 Uhr, als die Messen in der Stadt beendet waren, kam Weißack mit dem Amthauptmann von Giebichenstein, Heinrich von Ammendorf, zum Ulrichstor gefahren und übergab selbiges an den Amthauptmann. Der hatte seine Truppen vor der Stadt liegen, die sogleich das Tor besetzten. Einige Fürsten aus dem Gefolge des Erzbischofs folgten nach und nahmen den Kirchhof zu St. Ulrich ein. Diesen Lärm bemerkte der Türmer auf dem Markt und schlug die Sturmglocke, worauf sich Bürger, Innungen und Pfänner bewaffnet vor dem Rathaus versammelten, gemeinsam gegen das Ulrichstor liefen und sich dort ein Handgemenge entspann. Endlich erhob der Graf von Querfurt (auf des Erzbischofs Seite) seine Stimme und beschwichtigte die Leute, man wäre nur wegen des Erzbischofs zugegen. Daraufhin legte sich der Kampf. Ein Todesopfer war zu beklagen: der Innungsmeister, Ratsherr und Kämmerer Hans Schiltbach. Die beruhigenden Worte des Grafen waren indes eine Lüge. Im Laufe des Tages drangen noch mehr erzbischöfliche Truppen in die Stadt ein. Am nächsten Tag, dem 21. September 1478 zog der Erzbischof, von seinem Gefolge und den Ratsmeistern Weißack und Hedrich begleitet in die Stadt und das Rathaus ein. Abgesandte der Pfännerschaft wollten nun dem Erzbischof ihre Treue versichern, doch der Erzbischof, der die Pfänner für den Angriff auf seine Truppen am Vortage verantwortlich machte, befahl ihnen Hausarrest an und berief für den 30. September 1478 einen Landtag zu Salza ein, auf dem sie sich zu verantworten hätten. Zusätzlich wurden an diesem 21. September noch viele Einwohner der Stadt Halle verhaftet, unter ihnen der Schultheiß Hans Poplitz. Die Ratsherren der Pfännerschaft wurden sämtlich ihres Amtes enthoben.

Auf dem Landtag zu Salza wurden Abgesandte der Pfänner verhört, desgleichen die im Hausarrest gefangenen Pfänner am 22. Oktober in Halle. Erzbischof Ernst berief erneut einen Landtag ein, diesmal für den Neujahrstag 1479 und in Calbe. Dorthin wurden die gefangenen Pfänner mit ihrem Anhang (insgesamt über 400 Mann) geführt und der Erzbischof verlangte als Strafe die Erlegung der Hälfte ihrer Güter. Zähe Verhandlungen führten zu keiner Übereinkunft, bis die Pfänner auf Anraten flehentlich baten, dass die Angelegenheit doch vom Bischof zu Meißen und anderen Adligen des Erzstifts entschieden werden möge. Dieser Bitte entsprach Erzbischof Ernst und lud zu einer Beratung am 09. Januar 1479 nach Halle ins Kloster Neuwerk.

Dort entschied dann Bischof Johann V. von Meißen, dass die Pfänner ein Viertel ihrer Salzgüter und zusätzlich 20% ihres übrigen Vermögens als Strafe an Erzbischof Ernst zu zahlen haben. Dann sollten sie wieder in Gnaden angenommen werden. So lautet der Vertrag.

Jeder Pfänner musste ein Verzeichnis seiner Güter aufstellen, den Wert des Vermögens (außer den Talgütern) selbst schätzen und die Aufstellung auf der Burg Giebichenstein abgeben. Der vierte Teil der Salzgüter wurde eingezogen und den fünften Teil des restlichen Vermögens mussten die Pfänner in Geldwert erlegen. Erzbischof Ernst behielt sich vor, die Güter selbst zu behalten und ihren Wert abzüglich des Strafgeldes an die Pfänner auszuzahlen.
Es mussten auch mehrere Pfänner und einige Bürger der Stadt ihre Güter verkaufen und mit ihren Familien die Stadt verlassen. Schultheiß und Salzgraf wurden abgesetzt und alle Schöppen entlassen, die der Pfännerschaft angehörten.

Später zwang Erzbischof Ernst die Stadt ein für alle Mal unter seine Botmäßigkeit. Doch das ist schon eine andere Geschichte.

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