Peinliches Halsgericht über Annen Margarethen Böserin.
Das Standbild des Rolands gilt seit Alters her als das
anerkannte Symbol für die städtische Freiheit, also das Marktrecht und die Gerichtsbarkeit.
Rolandsfiguren finden sich hauptsächlich in vielen nord- und ostdeutschen
Städten, seltener in anderen Teilen Europas.
Der hallische Roland ist im Unterschied zu seinen deutschen
"Artgenossen" nicht uniformiert und wurde, aus Holz gefertigt,
schätzungsweise um 1245 erstmals bei einem Hügel neben dem Rathaus auf dem
Marktplatz aufgestellt.
Am Roland wurde Gericht gehalten. Deshalb nannte sich das
hallische Schultheißen-Gericht auch das "Gericht auf dem Berge vor dem
Rolande" – also das Berggericht.
Der Roland wechselte mehrfach seinen Standort und steht nun,
im Jahre 1747, vor dem Schöppenhaus an der Südwestecke des Marktplatzes.
Hier wird am 05. Mai Ao. 1747 Gericht gehalten über Anna
Margarethe Böser, die sich des zweifachen Kindsmordes schuldig gemacht hatte.
Der Schultheiß und Königlich Preußische Geheimrat Johann
Christoph von Dreyhaupt begibt sich morgens um 08:00 Uhr gemeinsam mit den
Schöppen, dem Gerichtsdiener und dem Gerichtsschreiber vor den Roland. Dort ist
ein hölzernes Gerüst als Bühne errichtet, mit nochmals erhöhten Sitzen für die
Mitglieder des Schultheißen-Gerichts.
Schultheiß Dreyhaupt eröffnet die Gerichtssitzung und
fordert die Umstehenden auf, ihre Angelegenheiten vorzubringen.
Der Blutschreier Schneider tritt vor und bittet ums Wort.
Ein Blutschreier war ein Gerichtsdiener, der vor dem Blutgericht gegen den
Täter das Zetergeschrei erhob und Sühne für die Tat forderte. Mittlerweile war
das Zetergeschrei abgeschafft worden und der Blutschreier fungierte als Ansager
für die Anklage.
Dieser Blutschreier nun erklärt, dass Anna Margarethe Böser
des begangenen Kindsmordes angeklagt wird und deshalb ihr Leben verwirkt habe.
Sie solle vor das Gericht zitiert werden.
Die Beschuldigte wird in Begleitung von Predigern auf das
Gerüst geführt und der Ankläger des Rates, Anwalt Johann Christoph Gerstenbeil
tritt hervor und führt die Anklage aus:
Anna Margarethe Böser hatte im vergangenen Jahr 1746 einige
Tage vor Ostern unehelichen Verkehr mit dem Soldaten Meye und wurde schwanger.
Nach Michaelis, also Ende September, bemerkte sie ihren Umstand und
verheimlichte ihre Schwangerschaft. In der Neujahrsnacht 1747 suchte sie gegen
Morgen bei einer Bekannten Zuflucht, die diese ihr auch im Keller ihres Hauses gewährte.
Dort brachte die Angeklagte zwei Kinder zur Welt und erwürgte sie gleich nach
deren Geburt.
Nach der peinlichen Halsgerichts-Ordnung und Magdeburgischen
Landesgesetzen habe sie nun Leib und Leben verwirkt. Deshalb fordert der
Ankläger von der Beschuldigten nochmals ein öffentliches Geständnis und vom Gericht
den Schuldspruch und die Verurteilung zum Tod durch das Schwert.
Daraufhin befragt Schultheiß Dreyhaupt die Angeklagte und
hört ein volles Geständnis. Er fordert die Schöppen auf, sich über das Urteil
zu beraten.
Die Schöppen folgen der Empfehlung des Anklägers und
verurteilen Anna Margarethe Böser wegen zweifachen Kindsmordes zum Tod durch
das Schwert.
Der Schultheiß gibt das Urteil bekannt und übergibt die
Verurteilte dem Nachrichter, also in diesem Fall dem Scharfrichter.
Der führt die Verurteilte mit seinen Mannen zum Rabenstein
vor das Obere Galgtor und exekutiert das Urteil mit zwei Schlägen.
Inzwischen fragt Schultheiß Dreyhaupt die umstehende Menge,
ob noch jemand einen Fall vor Gericht zu bringen hat. Nachdem er keine Antwort
erhält, hebt er den Gerichtstag auf und verlässt mit den Schöppen das
Halsgericht.
-- Ist Euch aufgefallen, dass die Angeklagte keinen
Verteidiger hatte?
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